Projekt eGov-Campus: Arbeitsweisen der Digitalisierungslabore erfordern neue Kompetenzen

Typ: Meldung , Schwerpunktthema: digitale Verwaltung , Datum: 17.05.2021

Welche Arbeitsweisen und Methoden verwendet man in Digitalisierungslaboren und welche erforderlichen Kompetenzen lassen sich daraus ableiten? Darum geht es in einem neuen Bericht zur wissenschaftlichen Begleitforschung des eGov-Campus.

In den OZG-Digitalisierungslaboren kommen Arbeitsweisen und Methoden zum Einsatz, die bisher nicht zu den Routinen der öffentlichen Verwaltung gehören und deshalb von den teilnehmenden Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern neue Kompetenzen erfordern. Als Teil der Begleitforschung zu dem vom IT-Planungsrat finanzierten Projekt eGov-Campus wurden deshalb Teilnehmende aus allen Themenfeldern interviewt, um festzustellen, welche Kompetenzen für die Anwendung der Methoden in den Digitalisierungslaboren benötigt werden und wie die dort aufgebauten Kompetenzen nachhaltig in die öffentliche Verwaltung getragen werden können. Der Bericht wurde beim 9. Fachkongress des IT-Planungsrates vorgestellt.

Methoden und Arbeitsweisen

Die Digitalisierungslabore wenden die neuen Arbeitsweisen und Methoden (Abbildung 1) iterativ sowie agil in einer interdisziplinären Teamzusammensetzung an. Hier treffen Fachverantwortliche auf externe und interne repräsentative Personen aus den Nutzergruppen, aber auch auf Designerinnen und Designer sowie Softwareentwicklerinnen und -entwickler. Kreative und experimentelle Formate wie Design-Thinking-Workshops werden genutzt, um in zeitlich begrenzten Abschnitten zu explorieren, welche Bedürfnisse unterschiedliche Nutzerinnen und Nutzer an den jeweiligen digitalen Prozess haben. Diese Praxis trifft auf einen Arbeitsalltag in der öffentlichen Verwaltung, der mitunter durch starre Hierarchien und Silodenken geprägt ist, sodass es den Beschäftigten der Verwaltung am Anfang oftmals nicht leichtfällt, die bisher gängige Projektmanagementpraxis abzulegen.

Die Prozessphasen der Digitalisierungslabore mit den notwendigen Arbeitsmethoden lassen sich grob in drei Bereiche unterteilen:

  • Analyse – IST-Situation: bestehend aus der Durchführung von Nutzerinterviews mit potenziellen Antragstellenden sowie einer anschließenden Ableitung von Zielgruppen-Personas
  • Gestalten – Zielvision: bestehend aus sog. User-Journeys, der Konzeption eines nutzerfreundlichen Zielprozesses und der daraus resultierenden Erstellung eines Klick-Prototypen
  • Umsetzung: bestehend aus der Realisierung einer ersten Minimallösung (Minimum Viable Product – MVP) und anschließenden Nutzertest des MVP

In der folgenden Übersicht sind die Methoden des Arbeitsprozesses in den Digitalisierungslaboren grafisch dargestellt:

Abbildung 1: Methoden und Arbeitsweisen in den Digitalisierungslaboren Quelle: Mergel, Brahimi, Hecht

Diese technologischen Kompetenzen sind erforderlich

Basierend auf der Metaanalyse des ebenfalls vom IT-Planungsrat finanzierten Projekts Qualifica Digitalis wurden Interviewdaten ausgewertet. Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung sowohl technologische Kompetenzen, aber – viel wichtiger – überfachliche Kompetenzen notwendig sind. Auf dieser Ebene kommt es auf persönliche Kompetenzen an.

  • Gefragt ist ein digitales Mindset (die Fähigkeit zum selbstständigen Arbeiten).
  • Um erfolgreich in multidisziplinären Teams zusammenarbeiten zu können, ist Sozialkompetenz gefordert, insbesondere in Form von Sprachkompetenz und Ausdrucksvermögen, sowie die Fähigkeit zwischen Fachabteilungen und IT-Stellen zu vermitteln.

Zu den fachlichen Kompetenzen zählen Fähigkeiten, die in Verbindung zu technischen Systemen oder Prozessen im Rahmen der Digitalisierung stehen.

  • Wichtig sind hier die Kenntnisse von IT-Architekturen sowie das Wissen um das Risiko und die besondere Verantwortung zum Schutz von personenbezogenen Daten bzw. der Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer.
  • Notwendige soziotechnische Fertigkeiten sind: digitale Adaptivität, die Kompetenz, IT bedarfsgerecht für Fachverfahren einzusetzen, das Verständnis von eigenen digitalen Defiziten sowie Kenntnisse in den Bereichen der Usability und UX/UI-Design. Ebenso wichtig bei den Fertigkeiten ist eine gewisse Datenkompetenz.

In der folgenden Tabelle sind die in den Interviews genannten persönlichen und fachlichen Kompetenzen noch einmal zusammengefasst:

Tabelle 1: Technologische Kompetenzen zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung Quelle: Mergel, Brahimi, Hecht

Übergreifende Kompetenzen

Zu den übergreifenden Fähigkeiten gehören Kompetenzen, die nicht unmittelbar mit zur Verfügung stehenden technischen Systemen und Prozessen im Rahmen der Digitalisierung zusammenhängen. Zu dieser Kompetenzgruppe haben die Befragten insbesondere Kompetenzen genannt, die mit der Transformation der Verwaltung zusammenhängen. Dazu gehört beispielsweise die Innovationskompetenz aller Verwaltungsmitarbeitenden und die Kompetenz, Veränderungsprozesse zu verstehen und auf den eigenen Arbeitskontext übertragen zu können (Transformationskompetenz). Dafür ist insbesondere in der interdisziplinären Zusammenarbeit die Fähigkeit relevant, die Perspektive von Nutzenden und anderen relevanten Stakeholdern einnehmen zu können.

Zu den hier erforderlichen persönlichen Kompetenzen zählen:

  • Selbstständigkeit: in Form von Selbstmanagement, Selbstorganisationsfähigkeiten sowie Innovationskompetenz
  • Sozialkompetenz: in Form von Führungskompetenz, interdisziplinärem Verständnis, Nutzerperspektive und Barrierefreiheit

Notwendige fachliche Kompetenzen sind:

  • Wissen: in Form von politisch-administrativen Kenntnissen, rechtlichen Vorgaben, Geschäftsprozessmanagement, Prozessdenken sowie unternehmerischem Denken
  • Fertigkeiten: in Form von Transformations- und Problemlösungskompetenz, Managementtechniken sowie in der Gestaltungen von Organisationen

Die folgende Tabelle fasst die erforderlichen persönlichen und fachlichen Kompetenzen zusammen:

Tabelle 2: Überfachliche Kompetenzen für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung Quelle: Mergel, Brahimi, Hecht

Abschließend lässt sich feststellen, dass sich die Interviewten neue Kompetenzen in Form von Wissen und Fähigkeiten zulegen mussten, um an den OZG-Digitalisierungslaboren teilzunehmen. Es bleibt zu diesem Zeitpunkt unklar, wie diese Kompetenzen zur Digitalisierung der Verwaltung auch an den Dienstort außerhalb der OZG-Digitalisierungslabore transferiert werden können. Eine Aufgabe der neu zu schaffenden Digitalakademie kann deshalb sein, proaktiv die Ergebnisse zu nutzen, um Kursangebote für alle Beschäftigten zu schaffen. Das Ziel könnte sein, dass sowohl diejenigen, die für die Implementierung der Digitalisierung zuständig sind, als auch die, die von nun an in digitalen Prozessen arbeiten müssen, aus- und weitergebildet werden können. Anliegen dieser Studie ist es, einen Grundstock zu definieren und daraus ein umfassendes Konzept für deren Umsetzung zu erarbeiten.

Eine Langfassung des Berichts finden Sie hier. Auch die Präsentation zur Vorstellung der Ergebnisse vom 9. Fachkongress des IT-Planungsrates in 2021 ist online verfügbar.

Die Autorinnen des Berichts sind:

Prof. Dr. Ines Mergel, Professorin für Digital Governance, Digital Governance Lab, Universität Konstanz Quelle: Mergel/ Uni Konstanz Prof. Dr. Ines Mergel, Professorin für Digital Governance, Digital Governance Lab, Universität Konstanz

Almire Brahimi, M.A., Doktorandin am Lehrstuhl von Prof. Mergel, Universität Konstanz Quelle: Brahimi/ Uni Konstanz Almire Brahimi, M.A., Doktorandin am Lehrstuhl von Prof. Mergel, Universität Konstanz

Stefanie Hecht, M.Sc., Weizenbaum Institut / Universität der Künste Berlin, Digital Public Services, Fraunhofer-Institut FOKUS Quelle: Hecht/ Uni Konstanz Stefanie Hecht, M.Sc., Weizenbaum Institut / Universität der Künste Berlin, Digital Public Services, Fraunhofer-Institut FOKUS

Bei Fragen oder Feedback kontaktieren Sie: Prof. Dr. Ines Mergel, Professorin für Digital Governance, Digital Governance Lab, Universität Konstanz: ines.mergel@uni-konstanz.de

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